Bild: Pixabay CC0
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2026 zeichnet sich als Jahr ab, in dem Cybersicherheit noch stärker von der Geopolitik und von KI-getriebenen Geschäftsmodellen der Angreifer geprägt wird – und in dem Unternehmen endlich akzeptieren müssen, dass reine Abwehrlogik nicht mehr reicht.

ESET skizziert in seiner Trendvorschau ein düsteres, aber plausibles Bild: Drohnentechnologie wird zum attraktiven Spionageziel, russische Akteure bleiben ein Dauerstressfaktor für Europa, und KI beschleunigt Desinformation, Betrug und Sabotage. Die Kernaussage dahinter ist unbequem klar: Der digitale Raum ist zum Spiegel internationaler Konflikte geworden. ESET-Experte Thorsten Urbanski bringt die strategische Dimension auf den Punkt, wenn er sinngemäss festhält, dass sich die geopolitische Lage „eins zu eins im digitalen Raum“ spiegle – und dass Europa deshalb stärker auf vertrauenswürdige, souverän entwickelte Sicherheitstechnologien setzen müsse.

Thorsten Urbanski, ESET

Parallel dazu warnen die ESET-Forscher vor einem sehr konkreten Schauplatz: dem Drohnensektor. Staaten wie China, Russland, Iran und Nordkorea würden 2026 noch intensiver versuchen, Innovationen und militärische Modernisierung digital auszuspähen. Jean-Ian Boutin spricht von einem Bereich, der besonders stark ins Fadenkreuz gerät, weil dort technologische Entwicklung „am schnellsten voranschreitet“. Gerade dieser Zusammenhang – Innovationsgeschwindigkeit plus strategischer Nutzen – macht die Drohnenindustrie zur logischen Zielscheibe.

Jean-Ian Boutin, ESET

Die zweite Meldung ergänzt diese Makro-Perspektive um eine operative Diagnose: Cyberkriminelle denken weniger in spektakulärem Datendiebstahl, sondern zunehmend in messbarem Business-Schaden. Thomas Lo Coco von Absolute Security formuliert die Ausgangslage drastisch: Die Frage sei nicht mehr, ob ein Unternehmen getroffen werde, sondern wann. Zugleich verschiebe sich das Geschäftsmodell der Angreifer Richtung Stillstand. Sein Warnsignal an Führungsteams ist eindeutig: Downtime-Angriffe, also das Lahmlegen von Abläufen, werden zur neuen Erpressungswährung – und resiliente Organisationen müssten ihre Strategie konsequent auf „so nah wie möglich an null Ausfallzeiten“ ausrichten.

Thomas Lo Coco, Absolute Security

Bitdefender liefert dazu die technische Tiefenschärfe. Martin Zugec erwartet, dass zwei Angriffspfade dominieren: KI-unterstütztes Social Engineering und das Ausnutzen unverwalteter Geräte am Rand des Netzwerks. Seine implizite Messlatte ist hart: Wer Schwachstellen nicht sehr schnell schliesst, kann in opportunistische Kampagnen geraten. Besonders brisant ist zudem der Trend zu Angriffen ohne klassische Malware. Living-off-the-land-Techniken mit legitimen Admin-Tools sollten 2026 weiter zunehmen – ein Hinweis darauf, dass moderne EDR/XDR-Lösungen zwar wirken, Angreifer aber längst neue Tarnrouten suchen. Auch die Ransomware-Logik verschiebt sich: weg von massenhaftem Verschlüsseln einzelner Geräte, hin zu zentralen Infrastruktur-Komponenten wie Hypervisoren.

Darren Thomson, Commvault

Commvault setzt dem eine Daten- und Recovery-Perspektive entgegen. Darren Thomson argumentiert, dass KI in der Resilienz nur so vertrauenswürdig ist wie die Datenbasis, aus der sie lernt. Manipulierte Trainings- oder Betriebsdaten würden Verzerrungen produzieren – und damit das Sicherheitsversprechen unterlaufen. Seine Konsequenz: Integrität von Modellen und Daten wird 2026 zu einer Kernaufgabe, nicht zu einem Nebenthema.

GBTEC rückt die organisatorische Pflichtseite ins Zentrum: Cybersicherheit werde 2026 stärker mit Governance, Risk und Compliance verschmelzen. Das ist vor allem mit Blick auf Lieferketten plausibel. Angriffe über Partner seien attraktiv, weil dort Sicherheitslücken oft leichter auszunutzen sind. Leaseweb wiederum verbindet diese Dynamik mit digitaler Souveränität und erwartet mehr Nachfrage nach interoperablen Cloud- und Open-Source-Ansätzen. OPSWAT schliesslich erinnert daran, dass die Angriffsfläche auch technisch breiter wird: Neue Dateitypen, Scripts und Paket-Ökosysteme könnten traditionelle Sicherheitsroutinen aushebeln – während „vertrauenswürdige“ Integrationen in der Praxis oft genau das Gegenteil seien.

Die Summe dieser Aussagen ist klar: 2026 wird das Jahr, in dem Resilienz zur harten Managementkennzahl wird. Wer jetzt nicht in saubere Drittanbieter-Kontrollen, schnelle Patch-Prozesse, belastbare Backup- und Recovery-Architekturen sowie klare KI-Governance investiert, riskiert nicht nur einen Vorfall – sondern den Geschäftsbetrieb. Debugging der Illusionen gehört damit zu den wichtigsten Security-Aufgaben des kommenden Jahres.

 

Weitere Trends hat ESET in seinem aktuellen Blogpost „Von Drohnen, Desinformation & Datenklau – neue Cybergefahren in 2026“ zusammengefasst.