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Dank analoger Unterhaltung anstelle von «special effects» setzt Tom Cruise mit seinem Blockbuster die neue Action-Messlatte: Ganze 36 Jahre nach dem Original gelangt die Top Gun-Fortsetzung in die Kinos. Und diese setzt in der Szenerie einiges besser um, als damals. «Kürzlich stellte der Protagonist seinen Blockbuster an den Filmfestspielen in Cannes vor…

…und als er zuoberst auf dem roten Teppich angelangt war, flog eine Staffel von acht Kampfjets über die Bucht und zog einen blau-weiss-roten Schweif hinter sich her – die Farben Top Guns sind auch diejenigen der beiden grossen Filmländer USA und Frankreich! Der Film erhielt nach Vorführung fünf Minuten Applaus und nach der Vorstellung gab es ein gigantisches Feuerwerkt, wie ich es das letzte Mal 2006 zu THE DA VINCI CODE miterlebt habe…» so Christian Jungen, Artistic Director des ZFF.

Kaum ertönt das Power-Instrumental «Top Gun Anthem» von Filmmusik-Komponist Harold Faltermeyer mit Lead-Gitarre von Steve Stevens, gefolgt von Kenny Loggins’ «Danger Zone» sowie unwesentlich später «Won’t get fooled again» von TheWho, heben auch schon die ersten Kampfflieger ab und drücken die Filmzuschauer vom ersten Moment des Streifens an packend in die Sessel ! Und Protagonist Tom Cruise setzt einmal mehr sein verschmitztes Lächeln ewiger Jugend auf! «Back to the eighties?»: Absolut, jedoch gewollt und absolut legitim! Mag sein, dass die darin befindlichen Draufgänger, Actionszenen und Träume einem Abgesang auf die einstige Weltmacht USA gleichkommen. Aber deren Nostalgie ist angenehm nachvollziehbar, denn das Cinema-Publikum liebt das Vertraute.

Obwohl sich «Top Gun: Maverick» so mancher Anleihen beim wesentlich früheren Vorgänger bedient, sorgt Regisseur Joseph Kosinski (Tony Scott, Regisseur des Erstlings, verstarb 2012) noch für genügend eigene Inputs. Die 2022-Ausgabe birgt eine gewisse Melancholie, da die jugendliche Unbeschwertheit der Achtziger der Vergangenheit angehört. Diverse Kriege im Nahen Osten und 9/11 scheinen während drei Jahrzehnten amerikanischer Geschichte auf den Schultern von Maverick zu lasten: Seit über 30 Jahren ist er als furchtloser Testflieger und Top-Pilot für die Navy im Einsatz und lotet immer wieder die Grenzen der flugtechnischen Optionen aus. Weshalb er sich – damals wie heute – vor der Beförderung drückt, welche ihn zurück auf den Boden degradieren würde.

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Temporär auf letzten zurückgeworfen soll Maverick, der auf der Karriereleiter all die Jahre nicht wirklich voran gelangt ist und sich nun einigen Spott anhören muss, junge TopGun-Absolventen*innen auf eine sog. «Mission Impossible» im explizit nicht genannten Feindesland vorbereiten. Und dies obwohl nicht einmal er den eigenen Ausbildungs-Skills traut. Nur dass diesmal keine Promotion für die US Army, sondern ein gefühlsintensives Actionspektakel mit Ingredienzen an Clichés wie Rivalität, Schuld, Freundschaft, Vertrauen, Testosteron und Patriotismus angesagt ist. Hierzu gehört auch, dass eine absehbare Liebschaft mit Penny (verkörpert von Jennifer Connelly) aufgegleist wird. Oder der «Schnauzer» Rooster (Miles Teller) als Sohn des ehemaligen Maverick-Sidekick Goose, der wie einst sein verstorbener Vater «Great Balls of Fire» auf dem Piano intoniert. Der Feind ist sodann ein namenloser «Schurkenstaat», dessen Schergen sich im Cockpit hinter schwarzen Masken verbergen. Ziel der US-Bombermission sei eine Urananlage, irgendwo im Niemandsland zwischen Wäldern, Schluchten und schneebedeckten Gipfeln. Dem Gegner wird zwar zugestanden, die überlegene Technik zu besitzen; doch der amerikanische Heldenmut macht dies gegen Ende des Streifens locker wett.

Der Grossteil der Filmhandlung wurde diesmal weitaus authentischer umgesetzt. So fliegen die Darsteller im Gegensatz zum Original vor 36 Jahren tatsächlich selbst und mussten die Positionen der an und in den echten Kampfjets angebrachten 6 Filmkameras selbst entsprechend justieren. Statt Greenscreen und Bildern aus dem Computer mithin reale 1:1-Szenen, denn beide Filme kamen mit Hilfe der US Navy zustande. Kommenden Juli 60 Jahre jung, hatte sich Tom Cruise auf einer kalifornischen Militärbasis auf seinen Einsatz vorbereitet – und zudem Alkoholverbot während der Dreharbeiten verordnet… Bei den Action-Szenen wird diese Mühe erlebbar, als sässen wir Kinobesucher vor dem Armaturenbrett mit zahllosen Knöpfen und Hebeln. Die imposanten Motoren vibrieren, die Tragflächen wackeln, die Geschwindigkeit drückt uns vermeintlich in den Sitz: Virtuose Aesthetik des optimalen Spektakelkinos eben!

TopGun 1986 begründete die Geburt des Stars Tom Cruise, der zehnmal teurere, aktuelle Streifen eine Verewigung des nimmermüden Action-Helden. Nicht zuletzt spielt hierin auch der altmodische Hedonismus ein Rolle, welchen «TopGun: Maverick» unterschwellig thematisiert. Allerdings hat sich der Maverick des Protagonisten vom Draufgänger jugendlicher Jahre zum Manne entwickelt, welcher Nachdenklichkeit, Reue und Trauer einen grösseren Raum einräumt: Das spitzbübische Grinsen des jungen Cruise ist einem stillen Lächeln und gelegentlich glitzernden Tränen gewichen.

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  • Seit 26. Mai ’22 in Schweizer Kinos
  • Filmlänge: 131 Min.
  • Version: E/D/F
  • Land: US
  • Jahr: 2022
  • Genre: Action
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Regie: Joseph Kosinski
  • Darsteller : Tom Cruise, Jennifer Connelly, Jon Hamm, Monica Barbaro, Val Kilmer, Miles Teller, Lewis Pullman, Ed Harris, Jake Picking