Dr. Peter Morf, Leiter Schwerpunkt Energietechnologien & Ressourceneffizienz am HZA (Foto zVg)

Unter dem Titel «EnergieZukunft: Herausforderungen und Lösungen» vermittelte das Hightech Zentrum Aargau am 25. Oktober 2022 einen Ueberblick dazu, zeigte praxisnahe Lösungsansätze auf und bot Gelegenheit zum Austausch und Netzwerken der Teilnehmenden.

Die Veranstaltung war an den Personenkreis gerichtet, welcher sich für das Zusammenspiel von Politik, Forschung und Wirtschaft zur Gestaltung der Energiezukunft interessiert. Dabei standen die Themen Energiewende, Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Mobilität im Zentrum der elf zukunftsweisenden Referate.

Begrüsst und eingeführt wurde der Energie-Jahrestag von Dr. Peter Morf, Leiter Schwerpunkt Energietechnologien & Ressourceneffizienz am Hightech Zentrum Aargau. Er leitete nach 15 Minuten nahtlos zu Regierungsrat Stephan Attiger, Vorsteher des Departementes Bau, Verkehr und Umwelt über. Dieser berichtete in spannender Uebersicht zum Status und Ausblick der Energiezukunft im Kanton Aargau, indem er sein Referat in die 4 Sub-Titel «Ausgangslage», «Wo liegt das Problem?», «Lösungsansätze und Massnahmen» und «Was kann der Kanton Aargau dazu beitragen» gliederte.

Die Schweiz hätte das Uebereinkommen von Paris am 6. Oktober 2017 mit dem Reduktionsziel von minus 50 Prozent der Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 ratifiziert; und die langfristige Klimastrategie des Bundesrates laute bei letzteren «Netto-Null bis 2050»: «Der Kanton AG unterstützt die Ziele des BR und senkt mit geeigneten Massnahmen und Ressourcen seine Treibhausgas-Emissionen bis 2050 auf dasselbe Ziel», so Attiger. Zwar sei die Energiestrategie auf Kurs, wenngleich nicht in allen Bereichen. Aktuell drohe bei der Versorgungssicherheit zudem Mangellage, welche von den drei Parametern «Netze», «Produktion» und «Effizienz» bestimmt sei.

In diesem Kontext zähle jede Kilowattstunde, und die 3 Säulen der kantonalen Energiepolitik ’22 bestünden erstens aus der Teilrevision des Energienetzes, zweitens der Umsetzung der Solarinitiative und drittens dem Zusatzkredit des Förderprogramms. Der Kanton Aargau könne spezifisch dazu beitragen, dass er aktiv Verantwortung übernimmt, die Relevanz der Massnahmen-Summe erkennt und möglichst rasch klare Vorgaben pro Eskalationsstufe abgibt. Attiger: «Denn Unternehmen und Private wollen solche, damit sie rechtzeitig planen und Alternativen prüfen können, um die Mangellage zu vermeiden.»

Nachstehend in Stichworten die von Stephan Attiger auf Basis von Grafiken aufgezeigten Fakten, Analysen und daraus gezogenen Schlüssen :  

Netze sind essenziell für Produktion und Verbrauch

Produktion und Verbrauch befinden sich bei 50 Hertz im Gleichgewicht

Zukünftige Herausforderungen nehmen zu, deshalb sind ab sofort dezentral eingesetzte,           kleine und nicht steuerbare Produktionsanlagen sinnvoll

Winterlücke als dominantes Problem

Gesamtjahresverbrauch und Tagesspitzen bleiben absolut herausfordernd…

Worin liegen die Lösungen für die Winterspitze?

Stromproduktion aus erneuerbaren Energien (ohne Wasser)…

Kehrichtverbrennungsanlagen und erneuerbaren Abfällen

Photovoltaikanlagen

Windenergieanlagen,

Feuerungen mit Holz und Holzanteilen

Biogasanlagen

Besonderer Effort, um Atomkraft zu ersetzen: 

Kernkraftwerk Leibstadt

Leistung: 1’220 Megawatt

Mittlere Jahresproduktion: 9’600 GWh im Vollbetrieb

Verlängerte Revision 2021

Holcim/AEW: grösste P-Anlage im Kanton

Leistung: 2.4 Megawatt Peak (MWp)

Erwartete Produktion: 2,3 GWh

Flächenbedarf: 12’700m2 (Dächer auf Fabrikgelände)

Linth-Limmern: grösstes Pumpspeicherwerk der Schweiz

Leistung: 1’000 Megawatt (4 x 250 MW)

Speichervolumen bei Volllastproduktion rein rechnerisch nach 34 Stunden (34      GWh) aufgebraucht

Unsichere Stromimporte

Schweiz wird im Winterhalbjahr langfristig ein Importland bleiben

Schweizer Akteure werden aktuell aus Gremien und Märkten der EU ausgeschlossen. Nachbarländer könnten Uebertragungskapazitäten verringern, um EU-Vorgaben zu erfüllen (70%-Klausel)

Bedarf steigt auch in Nachbarländern; gleichzeitig steigt Deutschland aus Atom und Kohle     aus. Und Frankreich bekundet bereits heute Mühe, eigenen hohen Strombedarf im Winter zu decken…

Leistungen des Kantons Aargau

  1. Unterstützt bei Entschädigungsverhandlungen zwischen Gemeinden und Betreibern/dem Bund, basierend auf Paragraph 20, dem Energiegesetz des Kantons Aargau ;
  2. Kanton verzichtet auf eine Entschädigung für sich selbst ;
  3. Unterstützt und gestaltet juristisch in Sachen Bundesregelung bei Fragen zu Verfahren und Voraussetzungen für Bau und Betrieb ;
  4. Kontrolliert einzuhaltend umweltrechtliche Rahmenbedingungen, insbesondere hinsichtlich Lärmschutz, Luft-Messeinhaltung und Gewässerschutz ;
  5. Koordiniert Stakeholder und Bewilligungsbehörde für Nachfolgeprojekt 2026.

Kanton erwartet dafür…

  1. Von Seiten Bund und GE wird alles wirtschaftlich und technisch Zumutbare unternommen, um negative Effekte gering zu halten ;
  2. Entwicklung des Standortes Birr:

Kraftwerk TM2500 wird spätestens nach vier Wintern (Mai 2026) durch eine oder zwei reguläre, innen aufgestellte Gasturbinen ersetzt ;

Damit kann Leistung von 250 Megawatt auf 350 bis 600 Megawatt erhöht werden ;

Dies wird auf ordentlichem Weg bewilligt (Kanton und Gemeinde) und bleibt für 15-20 Jahre betriebsbereit.

In diesem Kontext führte Stephan Attiger aus, dass der Aargau der ideale Standort für ein kurzfristiges Notkraft- und Gaskraftwerk sei!

Erwartungen an den Bundesrat…

…beziehen sich dabei auf stufengerechtes und nationales Notrecht, bei welchem die Anspruchsgruppen jetzt miteinbezogen, frühzeitig kommuniziert und Vernehmlassung gestartet werden muss ;

Betroffenheit systemrelevanter Unternehmen und Institutionen sollen frühzeitig kommuniziert sowie technisch machbare Lösungen dafür gefördert werden ;

Auf Basis von Auktionen gilt es, relevantes Potential freiwilliger Reduktionen des Netzbezugs durch Grossverbraucher zu fördern ;

Rechtliche Bedingungen zur raschen Entwicklung des Reservekraftwerks am Standort Birr müssen geschaffen werden.

Aktuelle Lage beruhigt nur bedingt

THEMATIK                                                   AKTUELLE LAGE

Gasflüsse Russland – EU                               Praktisch inexistent

Verfügbarkeit KKW Frankreich (EDF)              Aussicht auf volle Leistung per Februar 2023

Trockenheit (Laufwasser/Schiffbarkeit Rhein)  Leicht unterdurchschnittlich

Energiesparen                                              Präsent

Wetteraussichten Winter                               Unsicher

Wichtig: Strommangellage ist kein Blackout

Bei Blackout = Stromunterbruch gibt es grundsätzlich genügend Strom, um Nachfrage zu decken. Stromversorgung ist auf Grund einer Verkettung mehrerer Faktoren jedoch kurzfristig unterbrochen (lokal, regional, national oder international): Behebung durch technische Massnahmen.

Bei Strommangellage hingegen ist nicht genügend Strom vorhanden, um gesamte Nachfrage national oder international zu decken: Kurzfristige Behebung mit Angebots-/Nachfrage-Lenkung; langfristige Behebung mit Ausbau an Produktions-/Transport-kapazitäten, Energieeffizienz.

Nachfolgende Referate kompetenter und echter Experten…

…seien an dieser Stelle überwiegend kürzer aufgeführt, da es zu weit führen würde, hier alle auch noch mit Detailinformationen aufzuführen:

  1. Zum Thema «Versorgungssicherheit und Klimaschutz ein Widerspruch?» führte Dr. Gianfranco Guidati als Manager Energieforschungsprojekte des Energy Science Center der ETH Zürich die Problematik divergierender politischer und wirtschaftspolitischer Interessen aus ;
  2. Wogegen Prof. Dr. Michael Bösch, Dozent für Ressourceneffizienz an der Hochschule für Technik FHNW zur Thematik «Verfügbare Technologien» referierte ;
  3. Nach Kaffeepause zu «Wasserstoff in Brugg» spannend auch das «einzigartige Kollaborationsprojekt für Sektorkopplung!» der drei Herren Reto Huber, Geschäftsführer Postautobetrieb der Voegtlin-Meyer AG, Harry Wurster, leitender Ingenieur Projekte, sowie Eugen Pfiffner als CEO der IBB Energie AG ;
  4. Im Anschluss an den kleinen Lunch an Stehtischen berichtete Prof. Dr. Frank C. Krysiak, Professor für Umweltökonomie der Universität Basel zu «Oekonomie der Versorgungssicherheit zwischen Markt und Regulation»

Gefolgt vom «Mehrgenerationen Plusenergiehaus: mit Solarenergie durch den Winter», wozu Markus Ursprung, Manager Net-plus GmbH, Vizepräsident Optima-Solar-Freiamt, Ex-Dozent Unternehmensführung und BWL sowie Prof. Stefan Roth, Dozent für Erneuerbare Energien, FHNW ihre Erkenntnisse aufführten ;

Dr. Sigita Trabesinger, Group Head Battery, Electrodes & Cels vom & beim PSI (Foto zVg)

5.  Hervorragend sodann die von Sigita Trabesinger, Group Head Battery, Electrodes and Cels, des Paul Scherrer Instituts PSI in Englisch erläuterten Alternativ-Szenarien zur brennend erwarteten Thematik der «Battery Technology: Status and Outlook». Woraus hervorging, dass die in armen und Schwellen-Ländern mit Unmengen an Wasser aus tiefer Erde geförderten, 15 hochgiftigen Schwer- und Leichtmetalle zur Herstellung von Batterien nachgerade immerhin rezykliert, wenn immer möglich ersetzt sowie wesentlich effizienter, effektiver und kompakter produziert würden !

Dies wurde im Plenum mit einer verhaltenen Genugtuung wahrgenommen und quittiert, da es bereits in Kürze nicht mehr sein kann, dass vorab die minderbemittelte Bevölkerung ganzer Landstriche ihre Dörfer wegen plötzlich fehlendem Grundwasser verlassen und sich nomaden-mässig anderswo niederlassen muss…

6.  Nach erneuter Kaffeepause wurde von Beat Gut, Geschäftsführer und Partner der    Anergytec AG, kurz das «Potential von Lüftungsanlagen mit Kreislaufverbund-Wärmerückgewinnung» erklärt. Bevor…

7… Solar-Manager Dr. Andreas Kuhn, Inhaber und CEO gleichnamiger AG «das E-Mobil im Gebäudesystem (Vehicle to Home)» lüftete das Geheimnis um die erst vor Kurzem entdeckt echt innovative Technologie, die beim Aufladen eines E-Autos frei werdende Ueberschuss-Energie ins Wohneigentum oder auch in die Mietwohnung zu transferieren und so in «win-win»-Situation in einer Art Wechselwirkung äusserst effektiv zu nutzen!

8.  Nicht minder packend zeigte zum Abschluss des Jahrestages zur «Energiezukunft: Herausforderungen und Lösungen» im Technopark Aargau Head of Design Organization H55 AG Franco Summermatter unter dem Thema «Elektrisch fliegen: was ist möglich?» Grenzen und Zukunfts-Visionen dieser Elektro-Nutzung auf.

Im Anschluss daran tauschte sich beim Apéro riche männiglich angeregt zu den ganztags vernommenen Thesen, Analysen, Erkenntnissen und Lösungsansätzen aus, um anschliessend jede/r für sich oder in Gruppen das individuelle Abendprogramm einzuläuten.

Fazit: Ein durchaus fesselnder Anlass des Technopark Aargau – gerne wieder!

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