(Foto zVg)

Fachärzte, Apotheker, Vertreter des BAG, der Krankenkassen und Pharmabranche fanden sich am Donnerstag, 14. März ’24, zum Weltnierentag im Restaurant Bernadette auf dem Sechseläutenplatz 1 in 8001 Zürich ein, um den Nieren höhere Aufmerksamkeit zu schenken.

Aufmerksam lauschten die Gäste dabei den Vorträgen von Fachspezialisten zu diesen lebenwichtigen Organen,  Dialysekosten in der Schweiz und einem Interview mit Bestseller-Autorin Milena Moser, selbst Angehörige und Botschafterin der Schweizerischen Nierenstiftung. Im Anschluss daran folgte eine angeregte Diskussionsrunde, deren Fazit lautete, dass Aerzte, Apotheker, Betroffene und Angehörige sowie nicht zuletzt Bundes- und Kantons-Aemter an einem abgesprochenen Strang ziehen müssen!

Mehr Bewusstsein für die Nieren

Im Körper erfüllt dieses häufig unterschätzte Doppelorgan eminent wichtige Aufgaben: Die Nieren filtern Giftstoffe und Säuren aus dem Blut, beeinflussen den Salz-, Kalzium- und Phosphat-Haushalt, den Blutdruck und die Wassermenge im Körper! Stiftungsratsmitglied Schweizer Nierenstiftung Prof. Dr. Olivier Bonny: „Entstehen Probleme und nimmt deren Funktion ab, verursachen sie lange keine oder nur sehr unspezifische Beschwerden, denn Nieren leiden leider leise.“

Auch die Zahlen dazu geben zu denken. So seien zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung von einer Nierenkrankheit betroffen, 90 Prozent derselben realisierten jedoch nichts davon. Gar 30 Prozent der Personen mit einer Nierenkrankheit im höchsten Stadium hätten noch nie einen Nierenfacharzt konsultiert. Da es an Informationen und Awareness zum Thema fehle, liege der Hauptgrund dafür im ungenügenden Screening. Obwohl die Früherkennung bei Risikopatienten über Urintests bei Risikopatienten simpel sein könnte. Ein höheres Risiko hätten Personen mit hohem Blutdruck, Diabetes, Nierenentzündungen und Zystennieren, welche einmal jährlich ihre Nierenwerte prüfen lassen sollten. Denn früh erkannt, lasse sich das Fortschreiten einer chronischen Nierenerkrankung bremsen oder sogar stoppen.

Mit eine Frage der entstehenden Kosten

„So verursachte etwa die Dialysebehandlung als Nierenersatztherapie bereits im Jahr 2015 immerhin knapp 300 Millionen Schweizer Franken. Was einen beträchtlichen Teil der Gesundheitskosten ausmacht“, so Prof. Bonny. Jedoch nicht nur auf Seiten des Bundes, sondern ebenso für die Patienten: „Fahren Betroffene selbst mit dem PKW zu Dialyse, entstehen ihnen durchschnittlich Kosten von 5’000 Franken pro Jahr. Vielmehr eher 10’000 Franken sind es, wenn diese einen Transportdienst benötigen. Lediglich 500 Franken Erstattung werden ihnen davon zugesprochen… Bei nicht wenigen Erkrankten reicht daher die Rente nicht, um diese Kosten zu decken“, wie Prof. Dr. Kai-Uwe Schmitt von der Berner Fachhochschule berichtet. Im Alltag finanziell einschränken müssten sich deshalb 44 Prozent der Betroffenen. Dank Früherkennung liessen sich die Kosten allseits senken.

„Besagte Transportkosten wurden bei der Gesetzgebung mit den Krankenkassen nicht festgelegt und wir haben bis dato keinen umsetzbaren Vorschlag. Es ist wünschenswert, wenn Akteure wie Sie sich da bewusst einbringen, damit diese unzulänglchen Gesetze geändert werden“, spricht Dr. Marc Schneider, Abteilungsleiter für Leistungen Krankenversicherung des BAG, während der Diskussionsrunde die Anwesenden an.

Amtschef vom Amt für Gesundheit des Kantons Zürich Dr. Peter Indra gibt aber zu bedenken, dass die Kranken- keine Vollkaskoversicherung sei, und Bürger selber Leistungen erbringen müssten. Wenn mehr Patienten die Heimdialyse nutzen würden, entfiele die Belastung des Transportes. „Wir müssten weniger über Kosten sprechen, wenn wir die Heimdialyse stärken würden. Deren Anteil liegt in der Schweiz offiziell nur bei 13 Prozent, in anderen Ländern bei 35 Prozent“, erläutert Dr. Falk Schimmann der CSS. Die Bauchfelldialyse benötige ein gewisses Handling und viele Patienten hätten Angst, dabei etwas falsch vorzunehmen. Daraufhin meldet sich eine Betroffene aus dem Publikum mit: „Ich bin über 70 und habe die Peritonealdialyse selber durchgeführt, weil mir diese empfohlen wurde. Nach entsprechender Kurzschulung hat dies bestens funktioniert.“

Aufschlussreiche Erkenntnisse resultieren aus heisser Diskussion

Damit es nicht zum Nierenversagen kommt und eine Ersatztherapie im besten Fall gar nicht notwendig wird, ist die Früherkennung äusserst wichtig. Sämtliche Beteiligten sind sich einig, dass die Prävention gestärkt werden soll. Dr. Philippe Luchsinger, Präsident der Haus- und Kinderärzte Schweiz, wirft ein, „Menschen mit höherem Risiko müssten sich regelmässig testen lassen. Mehr Personen müssen dazu motiviert werden, was ich sogar in meiner Praxis vornehmen kann.“ Wie gerade das erfolgreiche Pilotprojekt der Testwochen in Zuger Apotheken zeige, könnten neben der Haushaltsmedizin zudem Apotheken miteinbezogen werden. Dr. Markus Messerli, Apothekeninhaber in Baar und Präsident des Pharmaceutical Cara Network Switzerland stimmt zu: „Momentan sponsoren wir das selbst und werden für die Teilnahme an den Testwochen nicht entlohnt. Jedoch erkennen wir, dass mit solchen Aktionen die Aufmerksamkeit auf die Thematik gelenkt wird und damit dies möglich sei, müsse künftig auf eine Umverteilung mit niederschwelligen Zugangsmöglichkeiten nicht „nur“ für die Nieren, sondern viele weitere Gesundheitsthemen gesetzt werden.

Einig sind sich anwesende Experten in einem: Um mehr Bewusstsein zu schaffen, damit Nierenerkrankungen frühzeitig erkannt werden, müssen alle Instanzen kooperieren, um die Situation für Betroffene und Angehörige zu verbessern. Erkrankte, Fachpersonen, Verbände und Politik sind gleichermassen gehalten, gemeinsam Lösungen dafür zu finden.

(Foto zVg)

Emotionen mit Milena Moser…

…, welche im Interview über ihr Leben an der Seite eines Nierenkranken sprach. Vor einigen Jahren erhielt ihr mexikanischer Mann Victor-Mario Zaballa eine Spenderniere. Milena: „Ich hatte zuvor keine Ahnung von den Nieren. Denn meist sind ja Herz und Lungen die Diven des Alltags, hingegen agieren die Nieren eher im Hintergrund. Aber wenn diese ausfallen, funktionieren eben auch erstbenannte zwei nicht mehr.“ Und weiter: „Für uns ist der Gedanke emotional, dass ein junger Mann sterben musste, damit Victor eine gesunde Niere erhalten konnte. Weshalb wir am Tag der Toten stets eine Kerze für ihn anzünden.“

Auf die Frage hin, ob etwas aus der Krankheit gelernt werden könne, antwortet sie unmittelbar: „Ich habe von Victor gelernt, alles so zu nehmen, wie es eben kommt. Wir haben stets Wege gefunden, und solange ein Funken Lebenslust vorhanden ist, lässt sich mit allem umgehen.“ Ausserdem nimmt sie Bezug auf zuvor zur Lebenserwartung nach einer Transplantation genannte Zahlen und berührt damit die Anwesenden: „Meinem Mann dürften laut Prognose noch rund 5 Jahre geschenkt sein – und auf diesen fünf Jahren bestehe ich! Auch würde ich mir wünschen, dass jeder Mensch, welcher Blutdruck und Blutzucker misst, genauso seine Nierenwerte erfasst.“