Tsiakkas-Rebberge
Die Tsiakkas-Rebberge im Troodos-Gebirge Zyperns auf 1'500 Höhenmetern...

Abseits des Mainstream erleben Zyperns alte Rebsorten eine wahre Renaissance. In der Schweiz ist dies Bernhard Furler mit seiner Weinhandlung „Paphos Weine“ zu verdanken, der als Pionier die alte, einst vergessene Weinregion und deren autochthone Schätze wieder entdeckte. Auf der Insel hat sich in den vergangenen Jahren eine Winzerelite etabliert, die international für Aufsehen sorgt.

Die zypriotischen Winzer, die anfangs für verrückt erklärt wurden,definieren Wein völlig neu. Und erzielen an internationalen Wettbewerben zunehmend hohe bis höchste Bewertungen für ihre Rebensäfte. „Weinland Zypern, ein unentdecktes Juwel!“, schwärmt Ivan Barbic, Master of Wine. Und selbst „his masters voice Hugh Johnson“ hält mit euphorischer Begeisterung nicht hinter dem Zaun.

Aber der Reihe nach: Die eigentliche Blüte erlebte der zyprische Weinanbau als eine der ältesten Weinanbau-Traditionen bereits vor über 4000 Jahren, später im Mittelalter und in früher Neuzeit. 1281verlegte der Johanniterorden sein Hauptquartier nach Zypern. Unter derHerrschaft der Kreuzritter und ab 1489 der Venezianer wurden die süssen Commandaria-Weine vinifiziert, die bald zu den begehrtesten, aber auch teuersten Rebensäften der Reichen und Mächtigen in ganz Europa zählten. Die osmanische Herrschaft von 1571 bis 1878 bereitete dem zypriotischen „Weinwunder“ ein jähes Ende. Erst ab 1878 durfte der Weinbau auf Zypern unter britischer Verwaltung eine Renaissance erfahren. Ein sogenannter „Zypern-Sherry“, mit purem Sprit angesetzter Wein, stiess in Grossbritannien auf grosse Nachfrage. Mit Beginn des Kommunismus wurden sozialistische Staaten Osteuropas ab der 1920er Jahre wichtige Absatzmärkte für billige Massenweine. Als der Ostblock jedoch 1990 zusammenbrach und dem Zypern-Sherry gleichzeitig schwindende Nachfrage widerfuhr, fand die damals noch mengenorientierte Weinproduktion auf Zypern ein rasches Ende. Die Rebflächen von ehemals 31’000 Hektar wurden geradezu dramatisch auf heute rund 10’000 Hektar diminuiert.

Marleen & Marcos Zambartas
Das Winzerpaar Marleen & Marcos ZAMBARTAS der gleichnamig zypriotischen Edelweine

In den 1990-er-Jahren stand Zypern am selben Punkt wie andere europäische Weinanbauländer ein bis zwei Jahrzehnte früher. Weil sie auf Masse statt Klasse gesetzt hatten, wurde der Untergang ihrer Weinwirtschaft Tatsache. Dies bot gleichzeitig eine neue Chance für die Zukunft. Wie zur selben Zeit in der Schweiz, wurde die Krise von einer jüngeren, initiativen und besser ausgebildeten Winzergeneration auch auf Zypern dazu genutzt, um fortan kompromisslos auf Qualität zu bauen. Dazu gehört auch die Rückbesinnung auf einheimische, mehrheitlich autochthone Rebsorten, die sich problemlos an das Terroir der westlichen und südlichen Ausläufer des Troodos-Gebirges anpassten. Deren karge, teils vulkanische, andernteils kalkdominierte Böden und heiss-trockene Sommermonate waren wie geschaffen für einen Neustart. In diesem Kontext gibt es die weissen Rebsorten Xynisteri, Promara oder Spourtiko und die roten Varietäten Mavro, Maratheftiko oder Yiannoudi ausschliesslich auf Zypern! Dagegen werden Sauvignon Blanc, Chardonnay oder Syrah und Cabernet Sauvignon bekanntlich längst rund um den Erdball angebaut.

Was zudem für Weine aus Zypern spricht: Die weltweit gefürchtete Reblaus hat es nie in diesen abgelegenen Winkel Europas geschafft, weshalb die zypriotischen Rebstöcke wurzelecht sind und bis in für europäische Verhältnisse rekordverdächtige 1500 Höhenmeter mit über 25 autochthonen Rebsorten prächtig gedeihen. „Es gibt Weinregionen, die schon beim ersten Anblick unmittelbar erkennen lassen, dass sie dafür geschaffen sind, vorzügliche Weine hervorzubringen. Das Troodos-Gebirge ist zweifelsfrei so ein magischer Ort“, so Thomas Vaterlaus, Chefredaktor von „Vinum“. “Denn hier existieren sowohl ein einzigartiges Terroir, als auch eine önologisch vielfältige Reblandschaft. Die kleinen Rebberge bilden im kargen Buschland ein perfektes Oekosystem, das weitgehend ohne Bewässerung und chemische Pflanzenschutzmittel auskommt. Ausserdem wachsen die Reben ungepfropft, das heisst mit ihren Originalwurzeln im hellen Kalkstein, was einen entscheidenden Qualitätsvorteil bringt!”

Die trockenen, fruchtig-frischen Weissweine aus der autochthonen Xynisteri-Traube der zypriotischen Topwinzer gehören, um Dr. Rudolf Trefzer von SRF 1 zu zitieren, „mit finessenreicher Aromatik und moderatem Alkoholgehalt zu den vielversprechendsten Entdeckungen der letzten Jahre. Sie bestechen mit Zitrus- und Kräuternoten, ihre Sensorik ist aber auch geprägt von exotischen Früchten und floralen Anklängen sowie einer lebhaft und harmonisch ausbalancierten Säure.“

Die ebenso autochthon roten Maratheftiko-Trauben werden dort auf lediglich rund 180 Hektar bei niedrigen Erträgen von rund 1500 Litern/ha angebaut. Weil die Rebe als schwierig und eigenwillig gilt, ist in diesen Rebbergen ausschliesslich Handarbeit angesagt. Auch bedürfen die Trauben auf dem Lesetisch einer zeitaufwändig sorgfältigen Selektion! Nur so entstehen aus dieser raren Traubensorte vorab in Höhenlagen des bereits erwähnten Troodos-Gebirges aussergewöhnliche und vielschichtige Rotweine, die von Wein-Experten in ihrer Struktur gerne mit Cabernet Sauvignon aus dem Bordelais und im Geschmack mit Syrah der nördlichen Rhône verglichen werden.

Die aktuelle Generation von Weinerzeugern versteht ihr Handwerk. Fundiertes önologisches Fachwissen, gepaart mit grösster Leidenschaft unter Anwendung modernster Ausrüstung bewirken nicht nur bei den Maratheftiko-Weine ein Potenzial von mindestens 5-10 Jahre Reifezeit!

Der noch rarere zypriotische Rotwein wird aus der autochthonen Yiannoudi-Traube gewonnen. Sie wurde vor rund 20 Jahren von einem Winzer namens Yiannis in dessen Weingarten wieder entdeckt. Ihre Entwicklung ist dem Grandseigneur des zypriotischen Weinbaus, Akis Zambartas (2016 verstorben), zu verdanken. Als ausgewiesener Fachmann und Wein-Legende legte er eigentliche „Pflanzenschulen“ für die einheimisch-autochthonen Sorten an. Der Yiannoudi-Traube liegt ein starkes Alterungspotenzial zugrunde, wenn sie in den passenden, pedoklimatischen Bedingungen reift. Der Rotwein ist reich an Tanninen, besitzt einen mittleren bis hohen Säuregehalt mit tiefer Farbe aus mittelgrossen Beeren und zeichnet sich mit Aromen von Früchten sowie Büschen zyprischer Natur aus. Ebenso ist das Holz der Eichenfässer im Geschmack spürbar. Die Spitzen-Weinbauern sehen die Yiannoudi-Traube als ebenso hochwertig an wie die Maratheftiko-Traube. Und von ihrem Charakter her, ginge sie glatt als „mediterraner Pinot Noir“ durch. In der Beurteilung von Sommeliers gelten Yannoudi-Weine oft als „eleganter und geschmeidiger“, Maratheftiko-Weinen hingegen als „kantiger und charaktervoller“.

Mithin bereits seit einigen Jahren sind des Landes Topwinzer daran, das Potenzial dieser und alternativ heimischer Rebsorten zu kultivieren: Sortenrein oder als Assemblages, teils auch in Kombination mit international vinifizierten Traubensorten gekeltert, vermögen ihre vergorenen Traubensäfte Weine zu überzeugen und brauchen selbst international keine Konkurrenz mehr zu scheuen!

Nachstehend eine Auswahl an Degustations-Notizen des Autors:

… zu den Weissweinen

Xynisteri 2017/’18 sortenrein, der Zambartas Winery mit 13% Alkohol: In der Nase filigrane Noten von Pfirsich und Lemonen, am Gaumen mineralische Säure mit Anklängen an weissen Pfirsich, Mango und Ananas, gefolgt von mittellangem Abgang (CHF 17.50.- inkl. Mwst.). Passt zu Apéro, Fisch, Meeresfrüchten und hellem Fleisch;

Xynisteri 2018, Ezousa Winery, 13,5 % Alkoholgehalt: Fruchtnoten à la Sauvignon Blanc in Nase und Gaumen, säurebetont, Restzucker perfekt austariert, mit frischem Abgang; ideal zu Apéro, Fisch, Geflügel und Kalbfleisch (zu CHF 15.- inkl. Mwst. sehr preiswert);

Xynisteri 2018 der Tsiakkas Winery mit 12,5% alc.: Grapefruit und Lime in der Nase, mit einem Hauch von Pfirsich und Nektarine, leicht säurebetont, ausbalanciert im Gaumen (preiswerte CHF 16.- inkl. Mwst.);

Petritis (ebenso autochthon) 2017, Kyperounda Winery, 13,5% alc.: In der Nase Ananas, im Gaumen Mango- und Ananas-Noten, prima eingebundene Säure, wenig Restzucker, mittellanger Abgang (CHF 17.50 inkl. Mwst.).

… zu den Rosés

Rosé 2018 der Zambartas Winery mit 14% alc.: Ideale Assemblage von Cabernet Franc mit der autochthonen Lefkada-Traube, kräftige Erdbeer- und Himbeer-Noten in der Nase, die sich im Gaumen vollfruchtig bestätigen; fein eingebundene Säure, welche diesen Sommerwein in der Art seiner spanischen Brüder zu einem ausbalancierten, genussvoll-süffigen Apéro-Wein und/oder –Begleiter leichter Speisen wie Tappas, Gemüse und Fisch mit längerem Abgang prädestiniert (CHF 18.50 inkl. Mwst).

Rosé EROS 2018 der Ezousa Winery, 14% alc.: Auf Anhieb erquickend pure Frucht in Nase und Gaumen, sauber eingebundene und ausbalancierte Säure mit wenig Restzucker und langem Abgang; kräftiger Spitzen-Rosé, nicht nur wegen des Namens Eros ganz meinem persönlichen Geschmack entsprechend! (CHF 14.50 – inkl. Mwst.);

… zu den Rotweinen

Maratheftiko 2017 der Ezousa Winery mit 14,5% alc.: Würzige Nase, im Gaumen jedoch säurebetont flacher, hat noch Entwicklungspotential, aber dennoch bereits überdurchschnittlich (CHF 26.- inkl. Mwst.);

Opus Artis 2014 der Vlassides Winery, 15% alc.: Sowohl in Nase als auch im Gaumen hervorragend und körperreich, fein eingebundene Tannine mit in Konsistenz feinem Schmelz; fühlt sich auf der Zunge wie ein Bordeaux dezent pelzig an, mittellanger Abgang. Aus dem nahezu weltweiten Spitzenjahrgang 2014 ist der „Opus Artis“ einer der aktuell bereits reifsten und besten Tropfen des Weingutes Vlassides. Ideal zu rotem Fleisch und Hartkäse (CHF 32.- inkl. Mwst.);

Shiraz-Lefkada 2016 der Zambartas Winery, 14,5% alc.: Intensive Fruchtnase, im Gaumen volle Frucht mit dezenten Gerbstoffen, wunderbar ausgewogen, mundet mir enorm! (CHF 30.- inkl. Mwst.);

Maratheftiko 2017 der Etko Winery, 14 % alc.: Betörend würzige Nase, bereits ansprechend eingebundene und wahrnehmbare Tannine – ein hervorragend Autochthoner zu allen Arten von Geflügel, Fleisch und Hartkäse: Erhielt 2019 den “special distinction award”! Mit  CHF 24.- äusserst preiswert!

…zum preisgekrönten Süsswein

Commandaria St. Nicholas 2014 AOC der Etko/Olympus Wineries:Wie offenbar alle Commandarias der Etko Wineries ein herausragendes Produkt des offiziell ältesten Weines der Welt; bei der Degustation ist die „Handschrift“ des Önologen Santiago Martinez Polo zu erkennen. Der „blend“ besteht aus 60% autochthoner Xynisteri und 40% autochthoner Mavro, welcher mehrjährig in grossen Holzfässern reift: Ein Spitzen-Commandaria mit reicher Aromenvielfalt. Am besten zwischen 8 und 10 Grad gekühlt zu Blauschimmelkäse, Pasteten, Gänseleber oder zu Dessert aller Art (Früchtekuchen, Mousse, Sabayon, etc.) servieren; dürfte auch ein idealer Begleiter zu edlen Zigarren sein. An der elften/11 Cyprus Wine Competition 2019 wurde ihm von der internationalen Jury die Auszeichnung Gold verliehen. Und Master of Wine Ivan Barbic meint dazu: „Intensive, typische Rosinenfrucht, sehr ausgewogener, attraktiver Süsswein!“

www.paphosweine.ch