Durch innovative Experimente und maschinelles Lernen konnte die ungeordnete Materialstruktur erstmals mit hoher Genauigkeit modelliert werden. Empa-Forschenden unter der Leitung von Simon Gramatte (vorne) und Vladyslav Turlo ist es erstmals gelungen, amorphes Aluminiumoxid mit Wasserstoffeinschlüssen atomar genau zu simulieren. Bild: Empa
Durch innovative Experimente und maschinelles Lernen konnte die ungeordnete Materialstruktur erstmals mit hoher Genauigkeit modelliert werden. Empa-Forschenden unter der Leitung von Simon Gramatte (vorne) und Vladyslav Turlo ist es erstmals gelungen, amorphes Aluminiumoxid mit Wasserstoffeinschlüssen atomar genau zu simulieren. Bild: Empa

Neue Forschungsergebnisse bringen den Durchbruch zur Produktion von grünem Wasserstoff. Dazu nutzen Empa-Forscher amorphes Aluminiumoxid als Filtermembranen, um bei der Spaltung von Wasser den Wasserstoff vom Sauerstoff zu trennen.

Aluminiumoxid (Al2O3) kommt in mineralischer Form sehr häufig vor, ist gründlich erforscht und wird in der Elektronik, chemischen Industrie oder technischen Keramik verwendet. Das Material kann in gleicher Zusammensetzung unterschiedliche Strukturen annehmen. Alle kristallinen Varianten sind detailliert erforscht. Die amorphe Form mit nützlichen Eigenschaften für einige Hightech-Anwendungen wie besonders einheitliche Schutzbeschichtungen oder ultradünnen Passivierungsschichten verbirgt aber auf atomarer Ebene noch Rätsel. «Kristalline Materialien bestehen aus kleinen, sich regelmässig wiederholenden Untereinheiten», erklärt Empa-Forscher Vladyslav Turlo aus dem Labor «Advanced Materials Processing» in Thun.

Diese können bis auf ein Atom genau untersucht und am Computer modelliert werden. Beim amorphen Material hingegen herrscht ein atomares Durcheinander, was die Erforschung erschwert. «Wenn wir das Wachstum einer dünnen Beschichtung aus amorphem Aluminiumoxid auf atomarer Ebene von Grund auf simulieren würden, würde die Berechnung mit heutigen Methoden länger dauern als das Alter des Universums», so Turlo.

 

Verstehen durch Simulationen

Nur mit genauen Simulationen können Forscher die untersuchten Materialien verstehen und deren Eigenschaften optimieren. Mit einem Modell aus einer Kombination von Informationen, experimentellen Daten, Hochleistungssimulationen und maschinellem Lernen erzielte die Empa einen Durchbruch. Zum ersten Mal erhält man dank interdisziplinärer Zusammenarbeit Informationen über die atomare Anordnung in amorphen AlSauerstoffatomen des Aluminiumoxids auch eingeschlossene Wasserstoffatome berücksichtigt werden.

Da Wasserstoff das kleinste Element im Periodensystem ist, kann es nur schwer gemessen und modelliert werden. Mit der in der Schweiz nur an der Empa verfügbaren Spektroskopiemethode HAXPES konnte der chemische Zustand von Aluminium in den unterschiedlichen Dünnschichten charakterisiert und in die Simulation integriert werden. Jetzt weiss man, dass sich der Wasserstoff ab einem bestimmten Gehalt an den Sauerstoff im Material bindet und so den chemischen Zustand der anderen Elemente beeinflusst. Dadurch werden die Materialeigenschaften verändert. Das Aluminiumoxid wird weniger dicht.

Klarheit aus dem Chaos: Die Aluminium-Atome (grau) und die Sauerstoffatome (rot) liegen im amorphenAluminiumoxid nicht in einer geordneten kristallinen Form vor. Das Modell zeigt ausserdem eingelagerte Wasserstoffatome (blau), die sich an den Sauerstoff binden und so die Materialeigenschaften des Aluminiumoxids entscheidend verändern. Bild: Empa
Klarheit aus dem Chaos: Die Aluminium-Atome (grau) und die Sauerstoffatome (rot) liegen im amorphen
Aluminiumoxid nicht in einer geordneten kristallinen Form vor. Das Modell zeigt ausserdem eingelagerte
Wasserstoffatome (blau), die sich an den Sauerstoff binden und so die Materialeigenschaften des
Aluminiumoxids entscheidend verändern. Bild: Empa

Herstellung von Wasserstoff

Das Forschungsergebnis öffnet den Weg zur Herstellung von grünem Wasserstoff durch Spaltung von Wasser mit erneuerbarer Energien oder direkt mit Sonnenlicht. Um Wasserstoff von Sauerstoff zu trennen, werden spezielle Filter benötigt, die nur ein Gas durchlassen. Amorphes Aluminiumoxid könnte die Lösung sein. In Zukunft wollen die Empa-Forschenden anhand der Modellierungen gezielt Aluminiumoxid- Membranen herstellen. Dank maschinellem Lernen dauert der Prozess nur noch rund einen Tag statt einige Milliarden Jahren.