Stauseen, wie der Lac d'Emosson in Wallis, sind wichtig für die Energieversorgungssicherheit der Schweiz. Aber auch thermische Speicher und Batterien werden in Zukunft eine Rolle spielen. Bild: Adobe Stock
Stauseen, wie der Lac d'Emosson in Wallis, sind wichtig für die Energieversorgungssicherheit der Schweiz. Aber auch thermische Speicher und Batterien werden in Zukunft eine Rolle spielen. Bild: Adobe Stock

Damit Politik und Wirtschaft die Energieversorgung planen können, werden zuverlässige Grundlagen und Zahlen benötigt. Dabei ist der Weg zu einem nachhaltigen System vorgegeben.

Wie man am besten ans Ziel kommt, weiss man aber noch nicht. Mit Modellen können Nachhaltigkeit und Kosten von unterschiedlichen Energiesystemen miteinander verglichen werden. Empa-Forschende entwickelten nun ein Modell für die Berechnung der Versorgungssicherheit. Stauseen, wie der Lac d’Emosson in Wallis, sind wichtig für die Energieversorgungssicherheit der Schweiz.

 

Nachhaltigkeit gegen Klimawandel

Die drei Aspekte Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit bilden das Energie-Trilemma. Diese muss man unter Berücksichtigung von nachhaltiger Energieerzeugung ins richtige Gleichgewicht bringen. Der Klimawandel muss gestoppt werden und gleichzeitig dürfen die Kosten nicht unermessliche Dimensionen erreichen. Das Energie-Trilemma wurde vom «World Energy Council» entwickelt, um politische Entscheidungsträger bei der Gestaltung der Energiesysteme zu unterstützen. Durch wissenschaftliche Berechnung der drei Kriterien lassen sich unterschiedliche Energieszenarien quantitativ miteinander vergleichen.

Die Nachhaltigkeit und die Wirtschaftlichkeit können bereits heute zuverlässig quantifiziert werden. Anders sah es bei der Energieversorgungssicherheit aus. «Die vorhandenen Modelle waren teilweise unklar, nicht anwenderfreundlich und nicht auf die heutigen Modellierungsmöglichkeiten ausgerichtet», sagt Matthias Sulzer, Leiter des Empa-Departements «Ingenieurwissenschaften». Gemeinsam mit Forschenden der Empa, der ETH Zürich und des «Lawrence Berkeley National Laboratory» in den USA hat Sulzer einen besseren Vorschlag für die Quantifizierung der Energieversorgungssicherheit ausgearbeitet und vor kurzem in der Fachzeitschrift «iScience» veröffentlicht.

Das Energie-Trilemma beschreibt die Balance aus Nachhaltigkeit, sozialer Gerechtigkeit und Versorgungssicherheit, die bei der Energiewende berücksichtigt werden muss. Grafik: Empa

 

Die fünf Stufen der Versorgungssicherheit

Die Forscher stellten für jede Pyramidenstufe quantitative Indizes bereit. Die Basis bildet die Eigenproduktion eines Landes in einem Jahr, die dem Verbrauch gegenübergestellt. Die zweite Stufe behandelt die notwendigen Energieimporte und die Sicherheit der Importwege. In der dritten Stufe geht es um die Systemadäquanz (ausreichende Systemkapazität). «Hier schauen wir stündlich – oder sogar noch höher aufgelöst – an, ob der Energiebedarf zu jedem Zeitpunkt von irgendeiner Quelle gedeckt werden kann», erklärt Mitautor Georgios Mavromatidis, Leiter des «Urban Energy Systems Laboratory» an der Empa. Die vierte Stufe klärt ab, ob ein Land zeitweise ohne Importe auskommen kann. Auf der höchsten Stufe steht die Autarkie. Diese bedeutet, dass ein Land längerfristig von der eigenen Energieproduktion leben kann.

Da moderne Energiesysteme sehr komplex sind, sollten die fünf Ebenen gleichzeitig betrachtet werden. Die Pyramide hilft dabei, die verschiedenen Indizes richtig einzuordnen und Klarheit bei den Begrifflichkeiten zu schaffen. Wichtig im Vergleich zu anderen Modellen ist die Berücksichtigung der Dynamik auf den höheren Stufen. Da Wind und Sonne sehr unterschiedlich anfallen, ist die gemittelte Jahresbilanz kein guter Indikator für die Versorgungssicherheit.

Das von den Forschenden vorgeschlagene Modell gliedert die Energieversorgungssicherheit in fünf Stufen, die zwar aufeinander aufbauen, aber ganzheitlich betrachtet werden. Grafik: Empa

Mehr Sicherheit durch erneuerbare Energien

Die Pyramide sei als ein erster Vorschlag zu verstehen, betonen die Forscher. Sie dient auch als Grundlage für weitere Diskussionen, Forschung und Verfeinerung der Indizes. Dennoch kann das Modell bereits heute zur Energieplanung eingesetzt werden.

Die Forscher demonstrierten die Tüchtigkeit ihres Modells mit einer Studie in der Schweiz. Die Pyramide wurde verwendet, um die aktuelle Energieversorgungssicherheit in der Schweiz mit einem Zukunftsszenario für das Jahr 2050 zu vergleichen. Das Ergebnis lässt berechtigte Hoffnung zu. Mit dem richtigen Einsatz von erneuerbaren Energien kann die Schweiz ihre Energieversorgungssicherheit erhöhen.

 

Diversifizierung von Energiequellen

Entscheidend sind die gesteigerte Diversifizierung von Energiequellen, die höhere Eigenproduktion und zusätzliche Speicher, mit denen Schwankungen überbrückt werden können. Wichtig neben Stauseen sind thermische Speicher, in denen wir Industrieabwärme speichern und nutzbar machen können und Batterien. Auch Elektroautos sollen als temporäre Stromspeicher genutzt werden, wenn sie nicht unterwegs sind.

Autark wird die Schweiz im Zukunftsszenario der Forschenden nicht. Das sei auch nicht unbedingt das Ziel, so Sulzer. «Hier kommt wieder das Energie-Trilemma ins Spiel», erklärt er. «Natürlich wäre es technisch möglich, in der Schweiz eine komplett autarke Energieversorgung aufzubauen. Sogar ein autarkes und nachhaltiges System wäre machbar. Aber das würde die Kosten stark in die Höhe treiben.» Mit einem Mix aus Importen, Eigenproduktion und unterschiedlichen Energiequellen kann die Schweiz die Kosten, die Nachhaltigkeit und die Versorgungssicherheit unter ein Dach bringen.