Guido Degasperi in der Geierwally
Kochen am Herd mit Guido Degasperi im Restaurant Geierwally in Steeg/Tirol

Mit diesem „teaser“ erweckte Tirol Werbung neulich die Neugier von Gastro- und Reise-Journalisten aus Deutschland, der Schweiz und Oesterreich selbst: Die sodann an Ort im Lech- und Tannheimer Tal sowie Allgäu aufgetischten, rustikalen Speisen waren zwar schmackhaft, lassen jedoch hinsichtlich effektiver Umsetzung der von GaultMillau bereits seit 45 Jahren weltweit eingehaltener Philosophie ein paar polarisierende Fragen offen…

Jene „Hüttenhauben“ sind denn auch nicht in den klassischen „guide ‚18“ integriert, wie es zuvor schriftlich angekündigt wurde: Vielmehr wird hierzu erstmals im laufenden Jahr ein eher schmales, gelbes Büchlein mit 72 darin aufgenommenen, „erstmals getesteten und bewerteten“ Almhütten aufgelegt. Löblich in hehrer Absicht denn auch die Einleitung von Herausgeber Karl sowie dessen Chefredaktorin und Gattin Martina Hohenlohe zum lokalen „guide“: „Natürlich beruft man sich (in den 72 Tiroler Alp-Hütten – Anmerkung der Redaktion) auf die alten Rezepturen, damals noch hochkalorisch, schliesslich musste man Kraft für die anstrengenden Arbeiten im Gebirge tanken; aber man hat die Speisen (inzwischen – Anm.d.Red.) verfeinert, Fett zugunsten des Geschmackes eingespart und am optischen Auftrittsbild gearbeitet.“…

Nun, lesen Sie in der Folge selbst, was unsere aus allen drei Ländern zusammen gewürfelte Gruppe tatsächlich erlebt hat.

Halbtag No. 1 mit Anreise aus drei Ländern sowie „gemütlichem Abend mit traditioneller Lechtaler Kulinarik“: Im Restaurant zur Geierwally lautet hier die Thematik „Kochen am Herd mit Guido Degasperi“. Letzterer ein in lokaler Tracht samt breiten Filzhut gekleidetes Unikum an spassiger Gestalt, welcher – ausser dem Buffet mit Saison-Salaten – sämtliche Gerichte an einem uralten, darunter mit Holz eingefeuerten Eisenherd in einer Ecke des Speisesaals zubereitet. Sehr gut die sämige, keineswegs zu dick geratene Käsesuppe und eine schmackhafte Gemüse- und Fleisch-Consommé mit Einlage.

Als im Magen eher dominant aufliegender Zwischengang dann Kartoffel- und Brot-Nokerln zu feiner Bramata (welche aus grobkörnigem Mais zubereitet wird). Gefolgt von einem aussen kross angebratenen Schweinebraten, der innen zart rosa belassen ist, zu grosszügig dünnem, prima abgeschmeckten Fleisch-Sud mit gedünsteten Wirz und Rüben sowie Knödeln. Zum Dessert sodann der allgegenwärtige „Kaiserschmarrn“ – auch dieser selbstredend grosszügigst portioniert!… Begleitet wird das Dinner von wahlweise sehr mundenden Tiroler Bieren sowie Oesterreicher Weiss- und Rotweinen der bekömmlich spritzigen und beerig-fruchtigen Landwein-Art.

Schweinebraten mit Beilagen
„Knuspriger“ Schweinebraten in seinem Sud mit gedünstetem Saison-Gemüse

Petersbergalm, Museum Wunderkammer, Lechtaler Haussegen & Musical

Tags d’rauf die geführte Wanderung zur Petersbergalm mit 2 Stunden Gehzeit für 6 km und 213 Höhenmeter Aufstieg: Auf 1’250 Metern hoch gelegen, befindet sich die Almwirtschaft des hinteren Hornbachtals der Allgäuer Alpen. Auf von Wildblumen wuchernden Alsböden verbringen hier 22 Milchkühe ihre Sommerfrische. Deren Almmilch wird an Ort oben täglich zu Käse und weiteren Milchspezialitäten verarbeitet, wozu uns der urige Hofwirt in seiner Käserei einen erklärenden Einblick in die dort stattfindenden Gerinnungs-Prozesse erteilt. Dem Autor dieses Artikels sagte zu Sauerteigbrot allerdings einiges mehr die Kalbs- und Schweins-Leberwurst – in Oesterreich „Leberkäs’“ genannt – des Betriebes zu: Hervorragend!

Nach kurzer Verschnaufpause gehts zur Elbigenalp ins Museum „Wunderkammer“, wo Kultur und Geschichte der Lechtaler Bevölkerung nachzuvollziehen sind. U.a. erfahren wir dabei, dass es einst den Franzosen zu verdanken war, dass sich das Lechtal wirtschaftlich, kulturell und vom Lebensstil her erst so richtig entwickelte: Trotz deren Besatzung 1800/01 behandelten sie die Lechtaler offenbar sehr freundlich. Woraus nebenher auch privat manch interkulturelle Liäson bis und mit Vermählung entstanden sei…

Aber nur keine Müdigkeit vorschützen, denn danach steht die Schnapsdegustation in der Edelbrennerei „Lechtaler Haussegen“ auf dem Programm: Empfangen werden wir dort äusserst charmant von der attraktiven Mitinhaberin und Geschäftsleiterin Melanie Huber derselben, welche die offenbar weit herum be- und für Spitzen-Qualität anerkannte Distillerie zusammen mit ihrem überaus sympathischen, innovativen und umtriebigen Ehemann auf- und ausgebaut hat. Der kleine, aber feine Familienbetrieb wartet u.a. auch mit überraschenden, erlesenen Kräuter- sowie exklusiven Spezialitäten-Digéstifs nicht „nur“ aus lokalen Früchten, Gin und Single Malt Scotch Whiskys auf – herausragend!

Melanie Huber erklärt
Die charmante und attraktive Melanie Huber der Edel-Schnaps-Brennerei „Lechtaler Haussegen“ erklärt Prozedur und Vorzüge der von ihrem Mann Mario gebrannten „Feuerwässerchen“

Abends ruft der Besuch der Aufführung „Lechufer anno 1800 – Musik baut Brücken“ der Geierwally Freilichtbühne in Elbigenalp: Direkt in den markanten Felsen der Elbigenalper Bernhardstalschlucht gebaut, zieht deren beeindruckende Kulisse Jahr für Jahr zahlreiche Theater- und Musical-Freunde dort hin. Schon zum 150jährigen Jubiläum Anna Stainer-Knittels, wurde 1990 der Grundstein für die Errichtung der imposanten, in den Fels gehauenen Bühne gelegt. Deren wildromantische Kulisse unter freiem Himmel wird zudem jeweils durch stimmungs- und effektvolle Bilder-, Licht- und Sound-Effete untermalt. Gewidmet ist sie jener Künstlerin, welche mit ihrem bekannten Adlerbild den Mythos der Geierwally begründete.

Geierwally Freilichtbühne
Ein Bildausschnitt der in markanten Felsen gehauenen Geierwally Freilichtbühne in Elbigenalp/Tirol

Sonnalm, Kräuterhexe, Tannheimer Tal & Schrofen-Hütte in Jungholz

Nächsten Morgens gelangen wir dann per weitläufiger „Jöchelspitzbahn“ auf die 1’800 hohe Sonnalm, wo die Wirtin uns mit einem Bergfrühstück-Selbstbedienungs-Buffet verwöhnt: Zwar werden wir von ihr dazu angehalten, auf den Toiletten möglichst wenig Wasser zu verbrauchen – während dem langen, heissen Sommer Wassermangel auch dort. Dafür lohnt sich dieser „Brunch“ alleine schon mit zwei Weichkäsen à la „Vacherin Mont d’or“ oder „Stanser Fladen“, welche nebst all dem üblicherweise Aufgetischten – „Birchermüsli“, Früchte, hausgemachte Confitüren zu knusprigen Brotsorten, Trockenfleisch-Aufschnitten, Tomaten, Salaten bis zu deftigen Eierspeisen, usw. – für’s erste Mal auf der Reise GaultMillau-würdigen Hochgenuss bereiten!

Zur Verdauung folgt eine kurze Wanderung mit „Kräuterhexe“ Daniela Pfefferkorn (sie heisst wirklich so!…), welche äusserlich so gar nicht dem Bild einer Hexe enspricht – ganz im Gegenteil! Bei sog. „Kräuterwerkstatt“ unter freiem Himmel der Sonnalm referiert sie mit Pflanzenmustern an Ort nachvollziehbar und spannend zum Thema „Natürliche Hausapotheke“, was nicht nur die Damen unter uns anzusprechen vermag.

Daniela Pfefferkorn
„Kräuterhexe“ Daniela Pfefferkorn erläutert Eigenschaften und Wirkstoffe unterschiedlichster Pflanzen und Blumen

Die Weiterfahrt ins Tannheimer Tal beschert uns danach den Check-In ins 4,5-Sterne-Hotel „Schwarzer Adler“, in welchem sich zeitlich gut ein-stündige Wellness-Aktivitäten im hauseigenen SPA anerbieten, ja geradezu aufdrängen.

Unmittelbar daran anschliessende Fahrt ins Bergdorf Jungholz sei an dieser Stelle bloss kurz der Vollständigkeit halber erwähnt: Die dort folgende, erneute Kräuter-„Wanderung“ an Ort, hinterlässt bei uns samt Beschreibungen der dort Zuständigen im Vergleich mit eben erwähnter Daniela einen eher oberflächlichen und wenig Aufmerksamkeit erheischenden Eindruck… Dafür steht als Dinner-Abschluss der Pressefahrt „ein feuriges Erlebnis mit dem Tiroler Hut“ in der Schrofen-Hütte von Jungholz auf dem Programm. Als „Tiroler Hut“ kann man/frau sich eine Art umgekehrten Wok, angelehnt an eine spanische „Parillada“ vorstellen: Jener „umgekehrte Trichter“ weist zudem herausstehende Zacken auf, welchen später best-gelagerte Plätzchen von Kalb, Rind, Schwein und Geflügel zugelegt werden.

Aber der Reihe nach. Unter dem „Hut“ wird zuerst Holzkohle eingefeuert, damit die Temperatur zum Braten des Fleisches stimmt. Dann werden Gemüse-„Juliennes“ in die zuunterst liegende Umrandung desselben gegeben, welche mit Fleischbouillon übergossen werden, damit sie während dem Braten des Fleisches nachgerade gar werden. Zuoberst auf den umgekehrten „Wok“ werden eine oder zwei Speckscheiben gelegt, um solcherweise das langsam an ihm ‚runterlaufende Fett mit zum Garen der an ihm hängenden Fleischstücke zu nutzen. Dazu werden wunschgemäss „Pommes“ oder Trockenreis oder welche Beilage auch immer serviert.

Tiroler Hut
Der Tiroler Hut in der Schrofen-Hütte auf der Jungholz-Alm im Tirol

Eine rundum hervorragende Idee, bei welcher bei unserem Besuch sowohl die herausragende Fleischqualität, ein prima Fleischfonds, das Gemüse und die Beilagen stimmen. Das dort erhältliche Angebot an tollen Oesterreicher Weinen sowieso! Bloss die dazu gereichten vier Sösschen lassen vom Geschmack her arg zu wünschen übrig. Wie mir die charmante, aufmerksame und beflissene Chefin des Hauses treuherzig zu verstehen gibt, verwendet ihr Mann in der Küche hierzu eine „handelsübliche Mayonnaise“ als Basis, welche er hernach eher weniger als wirklich schmackhaft je einmal mit Knoblauch-Pulver (…), mit kaum wahrnehmbarem Curry, Ketch up (zu einer echten „Sauce Rose“ fehlen zumindest Meerrettich, Worcestershire, Cognac/Brandwein, Tabasco, Pfeffer und etwas „Fleur de sel“!) sowie einmal nur Ketch up „anreichert“. GaultMillau-Niveau? Pardon: Fehlanzeige!

Es geht dem Autoren dieses Beitrags hierbei keineswegs um sture Besserwisserei; jedoch soll am Beispiel eines Curry-Dipps dennoch kurz aufgezeigt werden, weshalb das Gute stets aufs Neue der Feind puren Mittelmasses zu sein pflegt:

  1. Man/frau rühre – vorerst nur mit wenigen Tropfen, dann zunehmend mehr – mit Raps- oder Erdnuss-Oel per Stabmixer ein raumwarmes Eigelb an, bis daraus eine sämige, leicht dicklicher werdende Emulsion entsteht;
  1. Körnigen Weisswein-Senf aus dem Glas, etwas Sherry- ODER Balsamico-Essig beigeben und weiter wiederum eingangs gewähltes Oel beimengen, bis eine Mayonnaise entsteht, welcher man bereits jetzt gestossenen Schwarzpfeffer und etwas „Fleur de sel“ oder Himalaya-Salz beigeben kann;
  1. Jetzt dieselbe Menge an „Crème frâiche“ oder halbfetten Sauerrahm mit einrühren, damit der Dipp/die Sauce in der Konsistenz leichter, bzw. nicht zu mastig und im Magen schwer aufliegend wird;
  1. Nun möglichst drei unterschiedliche Curry-Mischungen von mild bis scharf nach persönlichem „Gusto“ ‚reinstreuen und als Würze etwa ein feines, Glutamat- und Gluten-freies Kräutersaltz aus der Umgebung oder auch Hefepaste (z.B. „Cenovis“ oder Aehnliches) beifügen. Verkosten und allenfalls noch mehr der einen oder anderen Sorte an Curry-Mischung ‚reingeben;
  2. Diese geschmacklich wirklich gehaltvolle Sauce ist dann servier-fertig und dürfte der Schrofen-Hütte auf der Jungholz-Alm garantiert noch mehr Andrang an echten Feinschmeckern bringen!
Ohne Worte
Rustikal schmackhaft, jedoch deftigst und kalorienreich…

Tja, und schon steht der letzte Reisetag mit der Bergbahnfahrt zur 1’530 Meter hohen Krinnenalpe mit „Hütten-Brunch“ bei Hüttenwirt Martin Rief an. Eingebettet in die rundum betörende Natur des Höhenwandergebietes, findet sich hier über dem Ort Nesselwängle eine kleine, herzliche Schutzhütte. Aus bestem Tannheimer Bergkäse, Sulze und köstlichem Speck – alles in Eigenproduktion – bereitet Martin uns 10 Besuchern hier vier (4) grosse Bratpfannen der zusätzlich mit Spiegeleiern, Tomaten und Gewürzen angereicherten, deftigen Masse zu: Trotz bei grossem Hunger bäuerlichen Gaumen-Vergnügen, vermögen wir davon gerade ‚mal knapp die Hälfte zu bewältigen, um diesen Brunch unmittelbar danach auch noch ein weiteres Mal durch Kaiserschmarrn mit Apfelmus abzuschliessen…

Kaiserschmarrn mit Apfelmus
Der berühmte Kaiserschmarrn mit Apfelmus als wohl schmeckende Nachspeise-Spezialität Oesterreichs

Konklusion…

…der dreieinhalb rustikalen Schlemmertage: Je nach TeilnehmerIn drei (3) bis fünf (5) Kilos mehr auf den Hüften! Sei’s d’rum, denn „man gönnt sich ja sonst nichts“ (?…). Bloss haben solche – mit Verlaub an Völlerei grenzende -„Fress-Orgien“ mit den jahrzehnte-lang etablierten Erwartungs- und Qualitäts-Ansprüchen von „Gault&Millau International“ wenig bis nichts zu tun. Auch bestellt niemand von uns die körperlich anstrengende Arbeit auf dem Felde oder im Walde des Gebirges…

PS: Die Junior Suiten der Hotels Post in Steeg und Schwarzer Adler Tannheim sind gross-zügig bemessen sowie von gehobener und gleichzeitig gemütlicher Einrichtung; mithin absolut empfehlenswert!