Die Energieversorgung der Schweiz wird ohne fossile Brenn- und Treibstoffe auskommen müssen. Die Frage ist, wie das funktionieren kann. Darüber diskutierten Forscherinnen und Unternehmer im Technopark Aargau.
2019 nahm das Stimmvolk die Energiestrategie 2050 an, und am 9. Juni bestätigte es mit dem Ja zum Stromversorgungsgesetz den eingeschlagenen Kurs: Die Schweiz will bis 2050 «Netto-Null» erreichen. Private und Industrie sollen nicht mehr CO2 emittieren, als sie der Atmosphäre wieder entziehen. Voraussetzung dafür ist eine Dekarbonisierung der Energieversorgung. Das wiederum bedeutet: Die knapp 400’000 Terajoule, die Gas und Öl zum Energiemix beitragen, müssen in den nächsten 25 Jahren ersetzt werden.
Entsprechend lautete der Titel der Veranstaltung am Sitz des Hightech Zentrums Aargau in Brugg: «Auf dem Weg in die Energiezukunft – Innovationen und ungenutzte Potenziale». Christian Schaffner, Direktor des Energy Science Center der ETH Zürich legte im Eingangsreferat dar, dass die in der Öffentlichkeit vieldiskutierte Stromlücke im Winter überschätzt wird. Er zeigte anhand von Verbrauchszahlen und der Preisdynamik auf den Strommärkten, wie sich die saisonbedingten Mindererträge aus heimischen Photovoltaik-Anlagen (PV) kompensieren liessen; und zwar mit einer intelligenten Kombination aus Pumpspeicherkraftwerken und dem Import von überschüssigem Windstrom aus anderen europäischen Ländern.
«Blackout»-Initiative und Atomstrom
Politisch ist diese Aussage umstritten. So fürchten etwa die Initianten der «Blackout-Initiative», dass es namentlich in den Frühlingsmonaten zu Versorgungsengpässen kommen werde. Der Bundesrat hat darauf reagiert und im August vorgeschlagen, das Planungsverbot für neue Atomkraftwerke aufzuheben. Die 160 Besucherinnen und Besucher in der Aula des Technoparks Aargau waren deshalb gespannt auf das Referat von Annalisa Manera, Professorin am Nuclear Systems and Multiphase Flows Laboratory der ETH Zürich.
Sie verwies darauf, dass neben der Schweiz nur Belgien, Deutschland und Spanien aus der Atomenergie aussteigen. Von den weltweit 32 Ländern, die Atomstrom nützen, würden 25 neue Kraftwerke bauen oder planen. Die dabei eingesetzten Reaktoren der 3. und 4. Generation, so Manera weiter, hätten ein markant besseres Sicherheitsprofil als Kraftwerke wie Beznau oder Leibstadt. Über das Potential und technische Innovationen auf dem Feld der Windkraft informierten Cédric Aubert, Leiter Axpo Wind Schweiz und die Geschäftsführer des Windkraft-Startups Agile Wind Power.
Intelligenter Netzausbau
Der zweite wichtige Themenkomplex neben der Erzeugung von nichtfossilem Strom waren Netze und Speicherkapazitäten. Lars Huber, Leiter Systemtechnik bei den Stadtwerken Lenzburg (SWL) widmete sich der Netzbelastung durch PV-Anlagen. Er plädierte für automatisierte Einspeisebegrenzungen an heissen Sommertagen. Dadurch könne die Aufnahmebereitschaft der bestehenden Stromnetze um Faktoren erhöht werden, so Huber.
Die Rolle von Autobatterien bei der Stabilisierung der Stromnetze beleuchteten gleich drei Referenten: Sandro Schopfer vom Startups Sun2Wheel, Samuel Pfaffen, Leiter Unternehmensentwicklung bei der Eniwa AG und Hubert Wolters, Vice President, Witricity Schweiz GmbH, der Vertreter des US-amerikanischen Hightech-Unternehmens Witricity.
Eingeladen zum Anlass in Brugg hatte Peter Morf, Leiter des Schwerpunktes
Energietechnologien und Ressourceneffizienz beim Hightech Zentrum Aargau.
Er zeigte sich insbesondere über den Publikumszuspruch erfreut: «Die
Rückmeldungen der Besucherinnen und Besucher zeigen, dass das Thema
Energie und Versorgungssicherheit bewegt».