TV-Serie «Seitentriebe»: Schweizer Liebespaar im freien Fall.

Die achtteilige Fernsehserie «Seitentriebe» beschäftigt sich auf humorvolle Weise mit dem Liebesleben in Langzeitbeziehungen und was heutige Paare im Innersten zusammenhält. Die Idee zur Serie stammt von Güzin Kar, die auch die Drehbücher schrieb. Nachfolgend erklärt sie ihre Herangehensweise in ihren eigenen Worten.

«Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt. Die Schweiz bietet Komfort und Chancengleichheit, wenn nicht für alle, so doch für viele. Und dennoch lautet die meistgehörte Antwort auf die Frage, ob man glücklich sei, nicht ‚Ja‘, sondern ‚glücklich nicht, aber zufrieden‘. Es ist dieser schwebende Zustand der Zufriedenheit, dieser Nicht-Ort zwischen Komfort und Orientierungslosigkeit, der mich am allermeisten interessiert, nicht nur in der Geschichte, sondern auch in deren Umsetzung. Die Gegend, die wir bespielten, ist eine, die von zu viel Geld und zu wenig Vision erzählt. Im Zürcher Oberland stehen Prestigebauten von Herzog & de Meuron neben industriellen Brachlandschaften. Genau so ist die Seelenlandschaft der Protagonisten. Es ist dieses unspektakuläre Stück Schweiz, das man in seiner ganzen latenten Tragik so urkomisch zeigen möchte: im Schauspiel, in den Dekors, in den Bildern und natürlich auch auf der Soundebene. Eine dramaturgische Besonderheit war, dass die gesamte Story, ausgehend von den Paartherapiesitzungen unserer beiden Hauptfiguren, abwechselnd aus zwei Perspektiven erzählt wird. Da die beiden in ihren Therapiesitzungen direkt in die Kamera sprechen, tritt der Zuschauende – also wir – an die Stelle des unsichtbaren Dritten, der des Therapeuten. So werden wir zu Komplizen ihrer Gedanken, die uns auch als Voice-Over durch ihre Erlebnisse im Alltag begleiten.
Es herrscht eine ernste Erzählweise mit heiteren, zuweilen grotesken Momenten vor. Alle unsere Schauspieler haben ihre Rollen genau so angelegt: immer aus der Tiefe der Motivation herausschöpfen, die Komik nicht auf Pointe, sondern aus der Situation herausspielen. Unterstützt werden sie dabei von einer Bildsprache, in der sich die Atemlosigkeit einer bewegten Handkamera mit den fast starren Stimmungsbildern der Aussenaufnahmen abwechseln. Alle sind ruhelos, kommen aber nicht vorwärts. Dass wir in kurzen Episoden à 25 Minuten erzählen, kommt der inneren Unruhe unserer Figuren zugute: Wir erzählen kurz, verknappt und in schnellen Dialogen, um aber im Gegenzug auch einmal ein Bild, eine Situation lange auszukosten. Bei der Filmmusik gingen wir einen ungewöhnlichen Weg: In der ganzen Serie haben wir – abgesehen von wenigen Ausnahmen – ausschliesslich bereits existierende Stücke von Schweizer Bands und Künstlern eingesetzt, sowohl bekannte als auch vollkommen unbekannte. Dies alles zusammen soll das zeigen, was vielleicht ein Grundgefühl der aktuellen Schweiz ist. Klänge es nicht so pathetisch, würde ich sagen: Wir haben einen emotionalen Heimatfilm gemacht.»
Ausstrahlungsdatum TV-Serie «Seitentriebe»: montags, ab 20.10 Uhr, SRF zwei