Das ehemalige Gesicht der Glückskette...

Inmitten des grössten Chaos im Katastrophengebiet Khao Lak erreichte mich am 1. Februar 2005 eine Mail mit dem Statement der Herren Bollmann und Jeanneret in der Presse (Blick). Darin wurde erklärt, dass vorerst nur 15% der 228 Mio. Spendengelder für Soforthilfen gebraucht, der grosse Rest „zwecks Zinsen (mit welchen die Verwaltung der Glückskette zu alimentieren sei…) auf verschiedenen Banken in der Schweiz und Europas parkiert“ würden…

Nach diesem Statement konnte ich mich nicht mehr zurückhalten, denn ich war schließlich an Ort mitten im Katastrophengebiet und erlebte dort hautnah die auch mich psychisch belastende, unglaubliche Not der Menschen: Über 8000 Menschen waren in Thailand verstorben, 100.000 wurden obdachlos und hatten Eltern, Kinder, Brüder oder einen Verwandten verloren.

Ich bekam auch mit, wie internationale Hilfsorganisationen tonnenweise Reis verteilten, dabei aber völlig laienhaft übersahen, dass die Menschen noch nicht einmal mehr einen Reiskocher besassen. Genauso wurden tonnenweise Wolldecken – notabene bei 40 Grad im Schatten – abgegeben! Weshalb sowohl Reis als auch Wolldecken sofort von korrupten Behördenmitgliedern weitergeleitet worden waren.

Mit dem Ziel, die Glückskette auf die katastrophale Not hier in den Lagern hinzuweisen, entschloss ich mich, eine Mailaktion an dieses Hilfswerk zu lancieren. Denn bis zum April 2005 waren nur einmalige CHF 100’000 an Spenden desselben an Auslandschweizer nach Thailand geflossen. Bis 2009 wurden zudem nur rund 3 Mio. von der Glückskette an ein von Beginn weg höchst umstrittenes Projekt (in Zusammenarbeit mit der DEZA) gespendet. Notabene ein Projekt, welches Bundesrätin Calmy-Rey zu Beginn prominent in die Schlagzeilen gerückt hatte, dessen Zweck aber von Anfang an extrem polarisierte.

Ich war und bin heute noch davon überzeugt, dass die Schweizer Bevölkerung einzig und allen auf Grund der Flutkatastrophe und dem damit verbundenen Leid in Thailand über 220 Mio. spendeten! Immerhin kannten sie das wunderschöne Ferienland Thailand, die Ferieninsel Phuket und vergleichsweise wenige unter ihnen die Orte Banda Aceh in Indonesien und/oder Sri Lanka. 80 % dieser 228 Mio. Franken, d.h. 180 Mio. (sic!), wurden zugunsten Thailands gespendet, aber nur 3 Mio. kamen in Thailand an…

Auf meine Mailaktion reagierte Herr Jeanneret mit folgenden Worten:

«Sehr geehrter Herr Schäfer,

ich weiss nicht, wie Sie dazu kommen, ein derartiges Pamphlet in der Welt herum zu schicken, das vor Unwahrheiten, absurden Behauptungen und Fehlinformationen nur so strotzt…»

Weiter:

«Ich bitte Sie deshalb inständig, diesen polemischen Blödsinn nicht weiter zu verbreiten. »

Mithin bezeichnete mich Herr Jeanneret als Lügner, ohne auf meinen Hauptvorwurf der „de facto“ bis dann nicht eingegangenen 180 Mio. CHF auch nur mit einem Satz einzugehen: Eine völlig haltlose und nicht zu entschuldigende Unterstellung! An dieser Stelle rufe ich in Erinnerung, dass ich mich damals täglich an Ort im Katastrophengebiet bewegte. Ich wusste also wesentlich genauer als er, wovon ich sprach, da mit eigenen Augen gesehen und überprüft!

Dennoch war meine Mailaktion letztlich unerwartet, wenngleich indirekt höchst erfolgreich: Jeanneret wurde konzilianter und kündigte mir plötzlich den Besuch seines Projektleiters Heribert Kaeser an. Letzterer reiste zweimal nach Thailand ein, besuchte mich beide Mal und vertraute mir schließlich an, dass ich keine Chance bei der Glückskette hätte. Jeanneret würde alles, was mich beträfe abblocken. Und weil die Glückskette keine Hilfsorganisations-Partner in Thailand habe, würde auch in Thailand nichts im Rahmen weiterer Hilfsmassnahmen geschehen.

Doch warum nur, wird denn auf der Website der Glückskette prominent Folgendes vermerkt:

„Im Ausnahmefall arbeitet die Glückskette auch mit nicht-akkreditierten Hilfswerken und Organisationen zusammen.“

Warum lag bei unserem Projekt keine Ausnahme zu Gunsten der vom Schicksal krass gebeutelten, thailändischen Insel-Bevölkerung d’rin?

Nur weil Herr Jeanneret nein sagte?…

Eine weitere Frage: „Wieso verhielt sich die Glückskette so diskriminierend gegenüber Thailänder/innen und Seezigeunern?

Sollte dies im Klartext bedeuten, dass die Glückskette selbst bei brutal Notleidenden aufgrund deren Herkunft unterscheidet, ob diese Unterstützung bekommen oder nicht?

Wenn ja, dann war das glasklar DISKRIMINIERUNG!“

Herr Kaeser zuckte nur mit den Schultern und bejahte damit ungewollt meine Behauptung. 

Ende August 2005 meldete sich sodann ein Herr Reinhard Gasser bei mir und teilte mir mit, er wolle mich treffen. Der Mann mietete sich für 3 Monaten in einem feudalen Büro in Phuket ein und residierte in einem ebenso feinen Hotel.

Ohne Worte…

Bei unserem ersten Meeting stellte sich Herr Gasser als „Delegate Thailand vom Schweizerischen Arbeiterhilfswerk (SAH)“ vor. Er fragte mich unverblümt, was ich wolle. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich zufrieden damit wäre, eine Spende von der Glückskette zu erhalten. Dies nur schon deshalb, weil meine deutschen und österreichischen Kollegen auch Spenden von bekannten Hilfsorganisationen aus ihren Ländern erhalten hatten. Er fragte mich, wie viel Geld ich mir vorgestellt hätte. Worauf ich ihm erwiderte, dass ich jeden Franken begrüssen täte. Er: «Wenn Sie über Fr. 100.000 wollen, dann dauert der Antrag über 1 Jahr, wenn sie aber unter Fr. 100.000 bleiben, kann ich versuchen, den Antrag in 3 Monaten durchzubringen.»

Zusammen mit Herrn Gasser füllte ich sodann fast 2 Tage lang den über 10-seitigen Antrag für die Glückskette aus. Herr Gasser hatte unser Hilfsprojekt an Ort auch besichtigt, da sich dieses nur ca. 10 Kilometer vom DEZA/Glückskette-Objekt entfernt befand. Nach Besichtigung war er damals fest davon überzeugt, dass die Glückskette unser Projekt unterstützen werde, ja sogar unterstützen müsste! Nichtsdestotrotz wurde unser Antrag bei einer derem monatlichen Sitzungen abgelehnt.

Daraufhin äusserten sich die Schaffhauser Nachrichten über die Absage der Glückskette im Rahmen eines Artikels. Nach Erscheinen desselben beschwerte sich Roland Jeanneret bei Herrn Beat Rechsteiner, dem Blattmacher der SN, und beschimpfte diesen auf übelste Weise.

Unser eigenes Projekt konnte 2007 hingegen sehr erfolgreich abgeschlossen werden und erweist sich heute noch als enorm nachhaltig. Die 120 Menschen in dem neu erbauten Dorf bestreiten ihren Lebensunterhalt wiederum selbst. Der dazu gehörende Kindergarten – anfänglich für 100 Kinder geplant – musste bereits erweitert werden.

>>Auf diese Weise konnten wir aus Betroffenen engagierte Beteiligte generieren. <<

Ich bin persönlich nach wie vor überzeugt davon, dass unser Projekt nur deshalb so erfolgreich werden konnte, weil wir die Zusammenarbeit an Ort mit einem Tempel – und nicht mit den Behörden – gewählt haben… Denn wir mussten anhand konkreter Anschauungsbeispiele bereits zu Beginn feststellen, dass die Kooperation mit den ansässig örtlichen Behörden in einem Desaster enden würde. Schliesslich hatte die allgegenwärtige Korruption auch das Projekt der DEZA/Glückskette zum Scheitern gebracht: Letztlich hat dieses die Menschen in der Region sogar gespalten, denn effektiv hatten einmal mehr vor allem bereits sehr wohlhabende Thais davon profitiert…

Durch die Zusammenarbeit mit einem Tempel vor Ort konnten wir jedoch ethnischen Minderheiten helfen, welche in den Augen/Akten der Behörden wohl gar nicht existierten!

Ende 2007 hatte ich bislang die letzte E-Mail von Herrn Jeanneret erhalten:

«Herr Schäfer,

so einseitig-mies informiert wie Sie sich hier geben, möchte ich auch mal sein dürfen. Wie Sie das machen, fällt auf Sie zurück. Sie halten es offenbar wie Christoph Blocher: am Schluss demontiert er sich selber so, dass es keinen weiteren Kommentar mehr braucht….

Wenn mich das Geld nicht reuen würde, würde ich Ihnen zu Weihnachten eine Flasche „Primitivo“ schicken.

R. Jeanneret

SR DRS»

Am 11. Mai 2009 schrieb ich daraufhin einen Brief an Walter Rüegg (Direktor der Glückskette).

Die Reaktion auf mein Schreiben lautete, dass R. Jeanneret – oh Wunder – sich bei mir meldete und ein Treffen in Zürich vorschlug. Zwar nahm ich die Einladung an, doch ausser viel Blabla, Worthülsen und einer fast nicht hörbaren Entschuldigung kam nichts dabei heraus…

Mein Fazit: Finger weg von der undurchsichtigen Glückskette!